Tollkühne Piloten in ihren rollenden Kisten
Diesen Tag hatten die Organisationen des geplanten 1. Forster Seifenkistenrennen lange herbei gesehnt: zum ersten Mal sollten die schon gebauten Rennkisten auf der dafür vorgesehenen Strecke getestet werden. Ein erster Testversuch im März fiel wegen starker Regenschauer damals buchstäblich ins Wasser.
An diesem Mittwoch im Juni schien die Sonne. Presseankündigungen der Testfahrten lockten viele Schaulustige an den Kegeldamm in Höhe der Max-Fritz-Hammer-Straße. Auf der Verbindungstrasse vom Kegeldamm hinab zum Oder-Neiße-Radweg sollen am 5. September selbst gebaute Seifenkisten im Wettbewerb um die Siegerpokale kämpfen. Mangels geeigneter Berge und aus Platzmangel wird es ein „Einzelweitfahren“ in zwei Läufen geben. Die jeweils erzielten Weiten werden summiert, wer am Ende mit seinem rollenden Untersatz die weiteste Strecke zurücklegt, gewinnt.
Die zwei bei den Testfahrten eingesetzten Seifenkisten sind bereits fertig gebaut. Ein rot-gelber Flitzer, eine umgebaute Zink-Badewanne, wurde vom „Bündnis Noßdorf – Tradition und Zukunft“ für den Festumzug zum 750jährigen Stadtjubiläum gebaut und wartet seitdem auf seinen Einsatz. Die zweite Seifenkiste entstand ebenfalls vor Jahren schon im Mehrgenerationen-Haus des SOS-Kinderdorfes, war dort allerdings Wind und Wetter ausgesetzt und benötigt noch eine Auffrischungskur und farblichen Anstrich.
Zwei weitere Bausätze wurden seit Bekanntgabe der Planungen des Rennens von interessierten Privatpersonen abgeholt und befinden sich ebenfalls schon im Rohbau.
„Wir haben keine Ahnung, was gleich passieren wird und wie weit die Kisten rollen werden.“, verkündeten die Organisatoren um Günter Andreck vom „Bündnis Noßdorf“ bei der Begrüßung. Und so verwundert es auch nicht, dass man den allerersten Start noch aus geringer Höhe der abschüssigen Trasse absolvierte. Helena (11 Jahre) wagte sich als erste unter dem Beifall der Umstehenden auf die Piste und rollte mit gehörigem Respekt und leicht angezogener Handbremse ca. 50 Meter weit. „Gleich nochmal!“, waren die ersten Worte der mutigen Pilotin, als sie aus der Holzkiste stieg.
Der Badewannen-Flitzer hingegen hatte noch einige Start- und vor allem Lenkschwierigkeiten und muss bis zum Rennen noch einmal gründlich unter die Lupe genommen werden.
Schrittweise wagten sich Fahrerin und Günter Andreck mit dem Halteseil auf höhere Distanzen. Immer mehr Kinder versammelten sich um Günter Andreck und wollten auch einmal in der Seifenkiste Platz nehmen. Dabei offenbarte sich bereits ein Problem, dass die Organisatoren zwar bedacht, jedoch noch nicht bis dahin gelöst sahen: wie kommen beim Rennen die Kisten nach dem Lauf auf schnellsten und kürzesten Weg wieder nach oben, ohne den Wettkampfablauf zu stören? Die Lösung lieferte Dietmar Pavel, der Chronist des Noßdorfer Bündnisses, der eigentlich nur anwesend war, um für die Chronik neue Bilder zu machen und bei den Zuschauern für ein Schmunzeln sorgte. Spontan nutzte er nämlich seinen Elektro-Rollstuhl als Abschleppfahrzeug und zog die Seifenkiste nach jeder Fahrt mittels Seil und Abschlepphaken wieder bergauf zum Startpunkt. Und er gab den Veranstaltern gleich noch eine Zusage, die das Rennen im September generationsübergreifend machen und für wahrscheinlich einmalige Bilder sorgen könnte: „Ich habe mit Bekannten gesprochen. Die kommen zum Rennen ebenfalls mit ihren Elektro-Rollstühlen. Wir alle ziehen dann shuttle-mäßig die Kisten von der Strecke wieder nach oben!“. Eine Zusage, die die Organisatoren, zu denen noch die „Wir haben Kultur“-Veranstaltungsagentur gehört und die von Kathleen Hubrich vom Stadtteilmanagement der DSK beratend begleitet werden, natürlich besonders freut.
Doch eine Frage war bisher noch ungeklärt: wie weit rollen die Seifenkisten wirklich, wenn vom obersten Startpunkt auf dem Kegeldamm gestartet wird? Staish (10 Jahre), die mit ihrer Familie aus Afghanistan zugewandert ist und an diesem Mittwoch begeistert die eine oder andere Testfahrt unternahm, wollte es herausfinden und traute sich über die volle Distanz. Nicht so sehr die Geschwindigkeit, sondern viel mehr die erzielte Weite überraschte. Trotz noch nicht optimaler Rennabstimmung der Seifenkiste gelang es ihr, bis auf den Oder-Neiße-Radweg zu rollen. Rund 130 Meter bedeuten erst einmal inoffiziellen Weitenrekord für diese Strecke. Helena schaffte es im Anschluss, allerdings regelwidrig mit kräftigem Anschub, sogar auf etwa 200 Meter. Ein paar Meter weiter und sie hätte die Lange Brücke erreicht.
Für die Organisatoren war der erste Testtag sehr erkenntnisreich, was Strecke und Abläufe betrifft. Viele Eltern und Großeltern nahmen sich auch die ausgelegten Flyer mit, die auf das Rennen hinweisen. Und wenn sie dem Drängeln ihrer Sprösslinge nachgeben, wird in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich noch die eine oder andere Seifenkiste mehr in der heimischen Garage zusammengebastelt. Interessenbekundungen gab es jedenfalls reichlich und viele der Kinder wollen unbedingt im September an den Start gehen.